Verfasser: Wolfgang Schütz
1. Etymologie des Wortes: "Spicken" dürfte hier der Bedeutung " reichlich ausstatten mit etwas" entsprechen. "Spicken" ist von "Speck" abgeleitet, mit dem man z. B. einen Braten durchzieht, damit er saftig wird. Das ursprüngliche "Spickmaterial" Speck ist dabei nicht mehr wichtig, sondern nur die Tätigkeit des Hineinsteckens.
2. Geschichte des Kuchens: Das Wort "Spickling" scheint eine lokale Weil der Städter Wortschöpfung
zu sein. In den schwäbischen Wörterbüchern fehlt es jedenfalls. Den ältesten Beleg dafür habe ich
im Ratsprotokoll von 1781, S. 671, gefunden. Dort heißt es: "An der Möttlinger Kirchweih am Sonntag
seyen bey 50 Spickling verbraucht worden." Damals hatte Weil der Stadt noch Grundbesitz in
Möttlingen; der "Meierhof" mitten im Dorf und das dortige Weil der Städter Reichsadler-Wappen,
das auch an der Chordecke der Kirche prangt, zeugen heute noch davon.
Warum gerade der Spickling zu einem Weil der Städter "Alleinstellungsmerkmal" wurde, darüber
lässt sich trefflich spekulieren. Eine Voraussetzung ist der Obstbau. Allerdings liegt darüber
noch keine Untersuchung vor.
Nachdem Weil 1802 württembergisch geworden war, wurde vom Staat
die Pflanzung von Obstbäumen entlang der Landstraßen angeordnet. Der ehemalige Senator Josef
Anton Reeble führte die Pflanzung durch. Der Einfluss der landeseigenen Baumschulen auf der
Solitude (unter der Leitung von Johann Caspar Schiller, dem Vater des Dichters) und an der
neugegründeten landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim wirkte sich auch in Weil der Stadt aus.
Obstbäume wurden häufig auch in ehemaligen Weinbergen angepflanzt. Obst war eine zusätzliche
Nahrungsquelle (Dörrobst, Most, Obstbranntwein - und Spicklinge). Offensichtlich spielte der
Apfel als Nahrungsmittel hier eine wichtige Rolle. Dafür sprechen auch die 50 Kirchweih-Spicklinge
von 1781!
Kleidung der "Spicklingsweiber": Die traditionelle Kleidung der wohlhabenderen Bürgersfrauen mit
Gold-bzw. Silberhaube und Biedermeier-Kaschmirschal war noch in einigen Exemplaren ins 20.
Jahrhundert herübergerettet worden. Im Stadtmuseum haben wir noch ein paar alte Gold- bzw.
Silberhauben. Diese Hauben waren in den süddeutschen Städten in vielen Varianten verbreitet.
Schon auf Portraits des späten 18. Jahrhunderts werden sie zum Beispiel von der Frau des
Bürgermeisters Johann Baptist Gall getragen. Die Hauben wurden um 1800 von den Töchtern des Schneiders Jakob Preisle angefertigt, die "auf dem Plan" gleich neben dem Storchenturm wohnten. Das "Universallexikon von Württemberg" stellte noch 1834 fest, daß die Weilerinnen im Gegensatz zu den Frauen der pietistisch geprägten Nachbarorte in ihrer Tracht die bunten Farben liebten. Nach dem Ende der Biedermeier-Zeit (nach 1848) kam diese Kleidung allmählich aus der Mode. Bestimmt wurden aber die schönen Stücke von älteren Damen noch darüber hinaus "aufgetragen". Als das historische Bewusstsein im Laufe des 19. Jahrhunderts in breiteren Bevölkerungskreisen wuchs und man begann, die alte Zeit nostalgisch "nachzuspielen", besann man sich auch auf die alte Frauentracht und trat zuweilen seit den 1920er Jahren öffentlich damit auf. Besonders im Umfeld des Keplerjubiläums 1930, als man auch in Weil das zarte Pflänzchen "Tourismus" zu pflegen begann, setzte die Stadtverwaltung zuweilen zwei Paare in nachgeschneiderter Bürgertracht zum Empfang von auswärtigen Besuchern am Bahnhof ein.
Am Fasnachtsumzug von 1937 nahm dann zum ersten Mal eine Frauengruppe als Spicklingsweiber teil.
Das heißt: Irgendjemand (vielleicht der Umzugserfinder Heinrich Pflaum oder doch wohl eher eine
pfiffige Frau!) hatte die Idee, die beiden Traditionsstränge "Goldhaubentracht" und "Spickling"
miteinander zu verflechten.